Jesidische Party: Ein Stück Himmel auf Erden

Wieder mal eine Whatsapp Nachricht, ich hatte kein Bock es zu lesen. Aber die Neugier war stärker und so wollte ich doch nachschauen. Als ich sie öffnete, war es ein Video. Das ist doch mal ne gute Sache. Nichts lesen, nur ein Film glotzen. Das geht ja fast immer. Jetzt war ich sprachlos, denn was ich sah haute mich um. Ich schaute es wieder an und nochmal und nochmal. Das gibt es nicht. Für dieses Video hatte sich alle Mühe gelohnt. Wirklich alle. Bevor ich euch den Inhalt des Videos verrate sollte ich die Geschichte von vorne beginnen.

Letztes Jahr im Frühjahr hatte ich immer wieder Berichte gelesen von Jesidischen Frauen. Sie und ihre Kinder waren Gefangene der IS. Die Berichte waren kaum zu lesen. Es ist furchtbar, was Menschen sich gegenseitig antun. Und das im Namen Gottes. Für diese Greultaten braucht man keinen Gott. Was diese Frauen erlebten war ein Stück Hölle. Immer wieder bekam ich Zeitungen und Magazine, die davon berichten. Mich nahm das mit. Mich beschäftigte das. Gott öffnet manchmal Türen, ohne dass wir dafür gebetet haben. Einfach so.
Baden Württemberg hatte Erbarmen und nahm 1000 Frauen auf. Ein Mann, den ich kaum kannte war beauftragt für diese Frauen zu übersetzen. Er war im Flughafen gleich dabei. Der Bruder dieses Mannes war mit mir befreundet. Er gab mir die Nummer der zuständigen Sozialarbeiterin und sagte "Du bist doch Pfarrer, du mußt jetzt da anrufen." Mein Freund ist selbst Jeside und er kennt die deutsche Bürokratie noch nicht. Ich dachte mir einfach 'da anrufen'? Das geht doch nie! Diese Frauen lebten separiert. Der Kampf ging los - Kopf gegen Herz. Ich entschied mich da anzurufen. Gesagt getan und alles ging auf Grün. Alles ging so schnell. Ich besuchte die Frauen und Kinder. Und wir verliebten uns in sie. Wir waren überrascht, wie viel Lebensfreude sie noch haben. Wie oft wir da lachten. Sie waren so herzlich. Irgendwann fielen die Kinder uns um den Hals. So besuchten wir sie als Team zwei mal die Woche. Montag Abend einfach Fußballspielen mit den Jungs, Dart spielen, Deutsch beibringen, abhängen. Dienstags morgens kümmerten wir uns um die Kinder, die nicht in der Kita waren. Das waren ca. 15 Kinder.

Irgendwann ist der Wunsch entstanden, diese Frauen zu verwöhnen. Eine Party nur für diese Menschen. Arabisches Essen aus dem Restaurant, kurdische Lieder, für jedes Kind ein Geschenk, Kinderschminke. Wir waren wie im Rausch. Party ist immer gut. Und war Party nicht der Joker bei Jesus? War das nicht seine Universal-Waffe? Doch das war es. Meine Theologie ist Party feiern. Wir waren ca. 15 Personen im Team. Und was wir auf die Beine stellten war der Hammer. Wir erlebten einige Wunder. Eins ganz kurz erwähnt: Ich sprach mit dem Restaurant-Besitzer und sagte ihm, für wen wir die Party schmeißen. Er fragte mich nur, was wir geben können. Wir hatten 300 Euro für 80 Personen. Zu meiner großen Überraschung sagte er das geht. Das Essen war unglaublich gut - mit Vorspeise, Hauptspeise usw. Es war fast wie die Fischvermehrung, nur mit Euros halt. Allein logistisch gesehen war das eine Meisterleistung. 52 Personen mussten abgeholt werden. Es waren ca. 25 Kilometer bis zu uns in die Gemeinde. Wie viele Autos braucht man dazu? Alle nochmal zurück fahren. Unser Essensraum ist viel zu klein für 80 Personen. Die Party fand also oben statt, wo wir eigentlich unseren Gottesdienst feiern. Alles aufbauen und abbauen, den Boden wischen usw. Aber unser Team hatte Blut geleckt und alle liefen sich die Hacken ab. Alle auf Vollgas. Und so ging die Party los. Wir hatten dazu auch Freunde und Nachbarn eingeladen, die ein Herz für diese Menschen haben. Die waren aus dem Häuschen, dass eine Kirche so was macht. Wochenlang schwärmten sie davon. Eine Bäckersfrau, die dabei war, erzählte das den Kunden in meiner Anwesenheit. Sie schrie im Laden, was wir alles auf die Beine gestellt hatten. Ich wurde rot. Sie lud die Menschen ein, in diese Kirche zu gehen. Warum das? Wegen einer Party? Komisch, dachte ich mir. Das war im Winter kurz vor Weihnachten. Jetzt war der Sommer da, zwar nur theoretisch aber unser Kalender sagte' Sommerparty von der Gemeinde'. Wir feierten draußen im Garten und dieser Tag war der wärmste im Jahr. Wir dachten natürlich an unsere Freunde. Wir fragten sie "Wollt ihr auf unsere Sommerparty?" Alle, wirklich alle wollten kommen. Mittlerweile 53 Personen. Wie durch ein Wunder haben wir in ganz kurzer Zeit einen Busunternehmer gefunden, der sie fahren wollte. Kosten? Er sagte "Was ihr mir geben könnt." Das war mal eine Ansage. Diese Antwort liebe ich. Auf jeden Fall waren sie alle bei uns im Gottesdienst und danach auf unserer Gemeindeparty - mit Hip ­Hop und Zauber Mann. Ihre Augen glänzten.

Nun zu dem besagten Video. Im Video waren alle im Bus und die meisten tanzten. Ja sogar der Busfahrer. Das war ein Partybus. Die gingen wirklich ab. Manche Frauen heulten später vor Freude. Sie sagten "Das ist so schön. Können wir wieder zurück fahren zu der Party?" Sie erzählten das erinnere sie an die Vergangenheit. Wo alles noch in Ordnung war im Irak. Als sie auf Hochzeiten waren. Sie sagten das war wie früher. Viele Menschen, Musik, zusammen essen, feiern. Tage später schwärmten die Sozialarbeiter von unser Party. Obwohl sie gar nicht dabei waren und nur von den Berichten der Frauen und Kinder wussten. Auch Videos haben sie sich angeschaut. Die Einrichtung wollte jetzt auch eine Sommerparty veranstalten - für alle ehrenamtliche Mitarbeiter - und sie fragten uns, wie man so was auf die Beine stellt. Als ich das Video wieder anschaute, dachte ich wie schön es ist, dass man Menschen glücklich machen kann. Das ist wirklich wahr. Geben ist besser als Nehmen. Wir geben, aber wir empfangen viel mehr. Eigentlich waren wir die Gesegneten. Früher gingen diese Frauen durch die Hölle und jetzt erlebten sie ein Stück Himmel.

Von Murat Yulafci.

Jessica MartensComment